Dass qualitativ hochwertige Fitness-Studios zugleich teuer sein müssen, wollten Stephan Schulan und Kurt Künzel nicht akzeptieren. Die meisten Studios warten mit einem Angebot wie zum Beispiel Solarien auf, die nur von wenigen Gästen genutzt, aber von allen gemeinschaftlich bezahlt werden. Darum gründeten die ehemaligen Franchise-Nehmer im Jahr 2008 ihre eigene Fitness-Studio Marke „Jumpers“, die hohe Qualität mit günstigem Preis garantieren sollte. Das Konzept geht auf und so gelang es den Gründern innerhalb von nur fünf Jahren, im süddeutschen Raum zehn Studios zu eröffnen.
Aus einer Idee war ein gut laufendes mittelständisches Unternehmen geworden – das im Jahr 2013 aber an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen ist. Aufgrund ungenügender Managementstrukturen war es Jumpers nicht mehr möglich, weiter zu expandieren. Denn die Gründer betreuten zu überwiegenden Teilen ihre Studios operativ selbst, für eine strategische Weiterentwicklung waren die notwendigen personellen und strukturellen Kapazitäten nicht geschaffen worden. Dies erkannten Schulan und Künzel und beteiligten im gleichen Jahr die auf mittelständische Investments spezialisierte Nord Holding aus Hannover am Unternehmen, um die finanziellen Ressourcen für die Aufstellung einer funktionierenden Organisation zu sichern, vor allem aber auch, um Know-how ins Unternehmen zu holen. Um in mittlerer Frist die Studioanzahl verdoppeln zu können, wurden ehrgeizige Ziele definiert:
- Aufbau einer modernen Organisationsstruktur inklusive der Etablierung einer zweiten Führungsebene,
- Aufbau einer Firmenzentrale und Entwicklung von Zentralfunktionen,
- Einführung von unternehmensweiten Standards und Prozessen,
- Entwicklung einer Jumpers-spezifischen Unternehmenskultur.
Das Erfolgsrezept der Clubs sollte bestehen bleiben. An den meisten anderen Stellen galt es das Unternehmen zu verändern. Sparringspartner für diesen komplexen Prozess wurden die Change-Experten der Kölner Unternehmensberatung Penning Consulting.
Führungsstrukturen sind nötig
Zwar war für die einzelnen Studios jeweils ein Studioleiter eingesetzt, faktisch hatten die beiden Gründer aber bisher die meisten operativen Entscheidungen stets selbst getroffen. Dadurch gab es bei Jumpers im Jahr 2013 keine zweite Führungsebene und keine wirklichen Führungskräfte unterhalb der Geschäftsführung. Wenn Jumpers jedoch expandieren sollte, würde die Geschäftsführung Zeit für Auswahl, Evaluation und Aufbau der neuen Studios benötigen. Zeit, die sie bisher nicht hatte. Darum war der erste Schritt für die weitere Expansion die Etablierung von Führungsstrukturen.
Vor der Benennung oder Rekrutierung von Führungskräften stand zunächst folgende Frage im Raum: Welches Führungsverständnis benötigen wir, um die Entscheidungen künftig von der Geschäftsführung auf eine zweite und dritte Ebene zu verlagern und somit der Geschäftsführung den Freiraum für strategische Arbeit zu geben, den sie eigentlich benötigt? Entscheidungen sollten künftig auf der Ebene getroffen werden, die im Tagesgeschäft unmittelbar mit einer Fragestellung befasst ist und damit die größtmögliche Fachkompetenz für eine Entscheidung in der jeweiligen Sache aufweist.
Führungsphilosophie etablieren
Dazu hat die Geschäftsführung mit Unterstützung von Penning Consulting eine Führungsphilosophie entworfen: Führung ist ein Produkt, das dem Mitarbeiter helfen soll, sein volles Potenzial zu entfalten. Ein Produkt, das vor allem auf die Befähigung und weniger auf die Kontrolle von Mitarbeitern setzt. Führungskräfte sollten sich als Coaches begreifen, die über Vision und Impulse motivieren sowie bei den Entscheidungen Hilfestellungen anbieten, bei der die nächste Ebene auf Schwierigkeiten stößt, weil sie (noch) nicht über die ausreichenden Kompetenzen verfügt.
In der Folge wurde zunächst im Unternehmen geprüft, welche Studioleiter und Mitarbeiter eine solche Führungsphilosophie teilen und leben würden und wer die notwendigen Kompetenzen dazu bereits besaß oder zumindest Potenziale dafür aufwies. Die lokale Führung der Studios sollte künftig durch die Studioleiter mit operativer Entscheidungsbefugnis erfolgen. Als mittlere Managementebene wurden „Clubbetreuer“ eingeführt. Jeder Clubbetreuer ist mit der Supervision und dem Coaching mehrerer Studioleiter beauftragt. Sie berichten an den Leiter Clubbetreuung, der unterhalb der Geschäftsführung eingesetzt worden ist.
Bezogen auf das Führungsverständnis bedeutet das: Der Leiter coacht die Clubbetreuer, diese coachen die Studioleiter, welche wiederum für die einzelnen Mitarbeiter als Coach fungieren. Die meisten neuen Führungskräfte konnten intern rekrutiert und befördert werden.
Diese Struktur in Verbindung mit der Führungsphilosophie hat dazu geführt, dass Entscheidungen heute von der Ebene beziehungsweise der Führungskraft getroffen werden, die am nächsten an der Problemstellung dran ist – und nicht von derjenigen, die sich als formal-hierarchischer Entscheider versteht. Das Ergebnis: Die Geschäftsführung ist heute nahezu vollständig von operativen Aufgaben in der Studiosteuerung entlastet.
Aufbau einer Zentrale und Einführung von Zentralfunktion
Die Einführung dieser neuen Führungsstruktur legte auch den Grundstein für den Aufbau einer Unternehmenszentrale mit den zugehörigen Zentralfunktionen, die bis zum damaligen Zeitpunkt in dieser Form nicht existierte. Es wurden die Abteilungen Finanzen/Controlling, Personal, IT und Expansion eingerichtet mit überwiegend vom Drittmarkt angeworbenen Mitarbeitern besetzt, da bis auf einen IT-Spezialisten intern keine Kandidaten zur Verfügung standen.
Der Aufbau dieser Struktur stellte neben der noch ungeübten Führungsorganisation der Studios eine große Herausforderung dar. Die neuen Führungskräfte und operativen Mitarbeiter der Studios waren die Existenz einer Zentralorganisation bisher nicht gewohnt, haben sie doch alle Themen stets direkt mit der Geschäftsführung abgestimmt beziehungsweise dort Entscheidungen eingeholt. Die Anzahl an Menschen, mit denen sie nun intern kooperieren mussten, stieg damit schlagartig an.
Darum war zunächst einmal zu klären: Wer stellt Ansprüche an wen? Wer hat welche Verpflichtungen? Wer steuert wen – die Zentrale die Studios oder anders herum? Welche Rolle spielt künftig die Geschäftsführung? Dieses neue Governance-Modell musste damit unweigerlich zu Konflikten führen. Konflikte, die im Vorfeld einkalkuliert waren und in der Folge produktiv genutzt werden sollten, um gemeinsam mit Penning Consulting unternehmensweite Prozesse einzuführen, Rollen zu definieren und alle Führungskräfte und Mitarbeiter an dieser Rollenverteilung und neue Organisation durch intensive Schulungen und Trainings heranzuführen. Denn eins ist zu konstatieren: Die Neuaufstellung hat auch zu Ängsten bei den Mitarbeitern geführt, die den Weg ins Unbekannte beschreiten mussten. Gerade an dieser Stelle war externe Hilfe besonders wichtig, um diese Ängste durch intensive Begleitung im Arbeitsalltag mit den neuen Aufgaben, der neuen Rolle, in der neuen Struktur abzubauen.
Um ein Beispiel zu nennen: Der umfangreiche Ausbau der Zentrale führte dort zu Beginn zu einer Anfrageflut seitens der einzelnen Mitarbeiter der Studios. Darum musste ein konsistenter Prozess eingeführt werden: Studioleiter sprechen mit Clubbetreuern, diese sind die zentrale Anlaufstelle für alle Leitungsfunktionen in der Zentrale. Ihre Aufgabe ist es, die operative (Studios) und die strategische Welt (Zentrale) zusammenzuführen und die für das Unternehmen zweckdienlichste Lösung für Konflikte zu finden.
Befähigung von Führungskräften und Mitarbeitern
Der hier dargelegte Umbau hat den Führungskräften und Mitarbeitern von Jumpers eine sehr hohe Veränderungsbereitschaft abverlangt – im Übrigen auch der Geschäftsführung, die nun nicht mehr ins operative Tagesgeschäft involviert war. Auch am eigenen Beispiel hat diese den neuen Weg gemeinsam zu beschreiten und mitzugestalten. Wer das – unabhängig von seinen Gründen – nicht möchte, muss das Unternehmen verlassen. Auch wenn dies nur schweren Herzens geschehen ist, musste sich Jumpers von einigen Mitarbeitern in diesem Veränderungsprozess trennen.
Diejenigen jedoch, die den Change mitgehen wollten, galt es nun schnellstmöglich für ihren neuen Rollen und Aufgaben zu befähigen. Dazu wurden durch Penning Consulting zum ersten Mal in der Firmengeschichte von Jumpers unternehmensweite und rollenspezifische Kompetenzprofile erstellt und ein individuelles Stärken-/Schwächen-Bild der jeweiligen Führungskräfte und Mitarbeiter entworfen. Dies ermöglichte es abzulesen, welche Potenziale bereits abgerufen und welche Lernfelder jeder Einzelne hatte. So war es den jeweiligen Vorgesetzten möglich, jeden einzelnen Mitarbeiter effektiv in seine neue Rolle hineinzucoachen. Dabei wurde der Bewertungs- sowie der Entwicklungsprozess strukturiert und systematisiert. Als Coach für die Führungskräfte agierten die Geschäftsführung und Penning Consulting.
Festigung einer neuen Unternehmenskultur
Aus der Erwartungshaltung, Veränderung anzunehmen und mitzugestalten, ist der Kern einer neuen Unternehmenskultur von Jumpers erwachsen. Denn die Geschäftsführung hat beschlossen: Auch zukünftig soll allen Führungskräften und Mitarbeitern stets eine hohe Veränderungsbereitschaft abverlangt werden. Bei jedem weiteren Studio, das neu eröffnet wird, soll hinterfragt werden, ob Organisation und Prozesse noch zusammenpassen? Was muss verändert werden? Wie muss diese Veränderung geschehen? Jumpers hat den Anspruch, jederzeit in der Lage zu sein, Anpassungen rasch und konsequent vorzunehmen. Dazu bedarf es einer speziellen Unternehmenskultur, die vor allem Agilität in den Mittelpunkt stellt – sowohl die der Organisation selbst als auch die der Mitarbeiter. Diese Kultur zu entwickeln, dazu hat nicht nur der bereits begonnene Veränderungsprozesse beigetragen. In gezielten Workshops zur Kulturentwicklung wurden Prinzipien der Zusammenarbeit definiert und inhaltlich mit Leben gefüllt. Immer auch unter der Fragestellung: Was dient dem Kunden?
Und so fußt die heutige Unternehmenskultur von Jumpers auf flachen Hierarchien trotz klarer Zuständigkeiten, einem Führungsverständnis, das die Führungskraft als Dienstleister des Mitarbeiters beschreibt, Performance als wichtigstem Faktor der Kundenzufriedenheit, auf der Ausbildung Mitarbeitern zu den besten der Fitnessbranche. Das sind die Säulen der heutigen Unternehmenskultur von Jumpers.
Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, versteht sich Jumpers heute als lernende High-Performance-Organisation. Sie bietet jedem Mitarbeiter die Chance, bei der Etablierung einer deutschlandweit führenden Fitnesskette zu partizipieren, in der sich jeder nicht nur ständig weiterentwickeln kann, sondern sogar muss. Dafür erhält er die Möglichkeit, unternehmerisch zu arbeiten und persönliche Verantwortung zu übernehmen.
Ergebnis: Wachstum ermöglicht
Jumpers ist es gelungen, mithilfe eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses die angepeilten Ziele zu erreichen. Die Studioanzahl konnte in nur drei Jahren verdoppelt und die neuen Studios konnten nahtlos in die Organisation eingefügt werden. Die Etablierung der neuen Führungs-, Organisations- und Prozessstruktur, in Verbindung mit der sich daraus entwickelnden Unternehmenskultur, ermöglicht es Jumpers zudem, auch zukünftig weiter zu expandieren und damit seine Wachstumsstory fortzuschreiben.