Altruistisch oder egoistisch: Wie führen erfolgreiche Chefs wirklich?
Die Debatte ist so alt wie das Thema Führung selbst: Was macht eine gute Führungskraft aus? Ist es die selbstlose Hingabe an das Team oder die klare Fokussierung auf die eigenen Interessen? In vielen Führungsdiskussionen begegnen uns diese beiden Extreme – Altruismus und Egoismus – als konkurrierende Narrative. Doch führen sie wirklich zu unterschiedlichen Ergebnissen? Und was bedeutet das für Führungskräfte im Alltag?
Das Idealbild: der uneigennützige Chef
Die Vorstellung vom guten Chef ist häufig eng mit altruistischen Eigenschaften verknüpft:
- uneigennützig,
- empathisch,
- teamorientiert,
- unterstützend und
- immer im Dienst des Wohls anderer.
Dieses Bild entspricht dem Konzept der Light Side of Leadership, das in der Leadership-Forschung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Studien zeigen: Führungskräfte, die sich ethisch korrekt verhalten, Verantwortung übernehmen und Mitarbeiter stärken, fördern Vertrauen, Loyalität und Leistungsbereitschaft.
Ethische Führung wird in vielen Untersuchungen mit langfristigem Unternehmenserfolg in Verbindung gebracht – unter anderem durch:
- höhere Mitarbeiterbindung,
- geringere Fluktuation,
- ein gesundes Arbeitsklima
- und nachhaltige Entscheidungsqualität.
Die Schattenseite des Altruismus: wenn die Selbstlosigkeit kippt
So positiv altruistische Führung klingen mag, sie hat auch ihre Grenzen. In der Praxis beobachten wir immer wieder, dass übermäßiger Altruismus zu Problemen führt:
- Überforderung: Führungskräfte, die ständig geben, ohne auf sich selbst zu achten, landen nicht selten im Burnout.
- unklare Grenzen: Wer die Bedürfnisse aller immer voranstellt, verliert schnell die Orientierung in der Entscheidungsfindung.
- Abhängigkeit im Team: Wenn der Chef ständig rettet, lösen Teams keine Probleme mehr selbstständig.
- Verwässerung strategischer Ziele: Langfristige Planung wird zugunsten kurzfristiger Harmonie geopfert.
Altruistische Führung allein reicht also nicht aus, um Organisationen nachhaltig erfolgreich zu führen. Es braucht ein Gegengewicht.
Egoismus als Erfolgsrezept?
Gegenentwürfe dazu betonen die Kraft des Egoismus: Führungskräfte, die an sich selbst denken, Entscheidungen schnell treffen und ihre Ziele konsequent verfolgen, gelten als durchsetzungsstark und effizient. In manchen Organisationen – insbesondere in kompetitiven, leistungsorientierten Umfeldern – wird ein solches Verhalten sogar belohnt.
Vorteile egoistischer Führung:
- schnelle Entscheidungen ohne lange Abstimmungen
- klarer Fokus auf Ziele
- weniger emotionale Belastung
- hohe persönliche Ambition und Risikobereitschaft
Doch auch hier zeigt sich eine Schattenseite: Egoistische Führungskräfte verlieren oft den Rückhalt im Team. Fehlendes Vertrauen, Angstkultur, hohe Fluktuation oder stille Kündigung (quiet quitting) sind typische Symptome. Erfolg mag sich kurzfristig einstellen, aber selten nachhaltig.
Der Mittelweg: reflexive Führung zwischen Geben und Nehmen
Die entscheidende Frage lautet nicht: Altruismus oder Egoismus? Sondern: Wie viel von beidem ist in welcher Situation angemessen?
Erfolgreiche Führungskräfte zeichnen sich durch folgende Fähigkeiten aus:
- Selbstführung: Sie kennen ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse und schützen ihre Ressourcen.
- Beziehungsorientierung: Sie handeln empathisch, ohne sich aufzugeben.
- Konfliktfähigkeit: Sie scheuen unangenehme Gespräche nicht, führen sie aber mit Respekt.
- Reflexion: Sie erkennen, wann sie sich zurücknehmen und wann sie klar vorangehen müssen.
Diese Form der Führung lebt von Selbstbewusstsein, Haltung und situativer Flexibilität.
Moralischer Führungsanspruch – Erfolgsfaktor oder Risiko?
Ein häufig diskutiertes Dilemma lautet: Kann nur der, der moralisch handelt, erfolgreich führen? Oder kostet moralisches Agieren im Zweifel den Erfolg?
Die Antwort ist komplex. Moralisches Handeln kann kurzfristig unbequem sein – etwa, wenn es bedeutet, auf egoistische Karriereschritte zu verzichten oder unpopuläre Teamentscheidungen durchzusetzen. Doch langfristig ist es genau dieser ethische Kompass, der Vertrauen, Stabilität und Entwicklung ermöglicht.
Erfolgreiche Führung entsteht dort, wo persönliche Integrität und unternehmerische Zielorientierung sich nicht ausschließen, sondern ergänzen.
Gute Führung ist kein Entweder-oder – sondern ein Sowohl-als-auch
Altruistische Werte und egoistisches Denken schließen sich nicht aus. Eine gute Führungskraft ist nicht aufopfernd, aber auch nicht kalt. Sie agiert strategisch und beziehungsorientiert. Sie führt mit Haltung – nicht mit Ideologie.
Der Schlüssel liegt in der Balance und in der Bereitschaft, beide Perspektiven zu reflektieren.
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